Heike Wegner

Innenansicht einer Forensischen Klinik

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Ich habe mit sechs anderen Piraten am Mittwoch die forensische Psychiatrie in Lippstadt-Eikelborn besichtigt. Solche Life- Eindrücke lösen viel aus und einige Bilder und Gedanken dazu möchte ich gerne teilen mit Euch.

Es wird niemanden wundern, dass die Sicherheitsanlagen der Klinik bombastisch sind. Der Außenzaun ist irre hoch und mit einem Material bespannt dass wie Gummi reagiert und keinen Halt biete. Das SEK hatte im Vorfeld die Möglichkeit sich daran auszuprobieren und ist erfolgreich gescheitert. Zum inneren Sicherheitskonzept habe ich nichts zu schreiben, aber das ist natürlich überzeugend.

Und daraus resultiert, wen wundert es, dass die „Ausbruchsrate“ überzeugend 0 ist.

Die spektakulären Berichterstattungen über „Ausbrecher aus dem Maßregelvollzug“ meinen Menschen die ihre Ausgänge zur Flucht genutzt haben.

Und da sind wir im schwierigen emotionalen Teil der „Forensik-Debatte“.

Ich lebe in Wuppertal und hier formiert sich gerade die Bürgerbewegung gegen den Bau einer Forensik auf Lichtscheid in Wuppertal. Ich finde es auch nicht so glücklich die Klinik direkt in ein Wohngebiet zu bauen und würde ich dort meinen geliebten Garten haben, fände ich die Mauer vor der Nase zum Kotzen.

Trotzdem leuchtet es mir ein, dass in diesem Gerichtsbezirk eine Einrichtung gebaut werden soll, weil die dringend benötigten Plätze fehlen. Und mal ehrlich, wo ist dann der Unterschied ob in Solingen, Remscheid oder Mettmann?

Aber zurück zur Innenansicht.

Alle Fachleute sind sich einig, die innere und äußere Sicherheit ist davon abhängig „wie dicht“ sie am Patienten sein können. Nur im täglichen persönlichen Austausch entsteht ein Gefühl für emotionale Drucksituationen die es zu deeskalieren gilt.

Und da bin ich am ersten Punkt aus dem ich eine piratige Forderung ableiten möchte:

Der Pflegesatz der real-faktisch in 6 Jahren um 20 % gekürzt wurde (4% Kürzung und gestiegene Personalkosten) darf auf keinen Fall weiter abgesenkt werden. NRW ist auf dem drittletzten Platz bei der Höhe des Pflegesatzes und das reicht nicht für innere und äußere Sicherheit.

Einen kleinen sarkastischen Zusatz habe ich noch: Mit jedem Jahr in dem es keine spektakuläre Straftat gibt, sinkt der Pflegesatz. Der wurde nämlich immer dann erhöht, wenn irgendwo eine Geiselnahme oder ein anderes Kapitalverbrechen medienwirksam vermarktet wurde.

Vor unserer Besichtigung am Mittwoch wurde in Patientengruppen gefragt, wer Lust hätte unsere Fragen zu beantworten. (Wir waren eher schüchtern und beklommen). Wir sind dann Menschen begegnet die uns große Offenheit und Vertrauen entgegengebracht haben. Der Respekt verbietet es mir hier darüber zu plaudern.

Und weil dass eigentlich schade ist wähle ich jetzt mal die Ich-Form

Ich kann mir kaum einen größeren Albtraum vorstellen als mit den Halluzinationen eines psychotischen Menschen völlig reiz-überflutet zu sein und keine Rückzugmöglichkeiten zu haben.

So sieht die Realität aus: Durch die hoffnungslose Überbelegung gibt es nur zwei und Dreibettzimmer. Ich durfte mir die drei nackten Zellen ansehen, die als Krisenzimmer für psychotisch tobende (häufig Frauen) vorhanden sind. Nein, die sind nicht aus Gummi aber sehr bedrücken.

Aus meiner Arbeit mit psychosekranken Menschen weiß ich, dass der Alltag spannungsarm gelebt werden kann, wenn jeder seine Grenzen wahren und sich zurück ziehen kann.

Fazit: Durch den Platzmangel wirkt die Forensik nicht nur nicht therapeutisch, sondern massiv krankheitsverstärkend.

Zum medial so spektakulär aufbereiteten Thema Sexualstraftäter:

Der Aufenthalt in der Forensik „kostet“ in aller Regel doppelt bis dreifach so viel Lebensjahre wie eine Haftstrafe, weil man die Lebenszeit zugrunde legt die eine Therapie braucht.

Und wenn man jetzt realisiert, dass wöchentlich eine halbe Stunde Therapie zur Verfügung steht ist man erst mal sprachlos.

Um hier nicht missverstanden zu werden, ich habe einfach ein hohes egoistisches Interesse daran, dass gerade dort Therapie greift und nicht nur Show zur Beruhigung der ist Öffentlichkeit ist.

Zum Schluss noch etwas persönliches:

Ich habe 2 Jahre mit psychiatrisch kranken Menschen gearbeitet und habe eine sehr hohe Achtung vor den Menschen die sich dort „mit einsperren lassen“. Das ist ein Teil der Realität die nur mit der Unterstützung von selbstbewussten integeren Kollegen zu leisten ist. Deren Fachgehälter müssen dem Verantwortungsgrad entsprechen den sich die Bevölkerung zu ihrer Sicherheit wünschen sollte.

Autor: Heike Wegner

Jahrgang 1964 Wuppertaler Piratin

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